Paludikultur – ein Überblick
Je nach Art der Etablierung kann zwischen natürlich entstehenden Vegetationsbeständen, wie beispielsweise Nasswiesen oder Nassweiden und der Anbau-Paludikultur, einer gezielten Bestandsgründung, unterschieden werden. Dabei kommen für die Kultivierung moortypische Pflanzenarten in Frage, die in feuchten Gebieten als Dauerkultur gedeihen. Für den Erfolg einer nachhaltigen Bewirtschaftung ist eine Anpassung an die spezifischen örtlichen Gegebenheiten eines Moorgebiets, dessen Merkmale und Umweltbedingungen, entscheidend.
Grundsätzlich müssen hierbei Hochmoore von Niedermooren getrennt betrachtet werden, denn diese unterscheiden sich in Bezug auf die Wasserversorgung und den Nährstoffgehalt, die sich im Laufe einer Wiedervernässung prägend auf die Auswahl der kultivierbaren Pflanzen sowie deren Bewirtschaftung auswirken.
Hochmoore zeichnen sich durch nährstoffarme, saure Böden (pH-Wert zwischen 3 und 4,8) aus, die ausschließlich durch Regenwasser gespeist werden. Die dominierenden Pflanzenarten sind Torfmoose, Wollgräser und Binsen, begleitet von Gefäßpflanzen wie Moosbeeren, verschiedenen Heidenarten und Sonnentau. Erfolgreiche Pilotprojekte zeigen, dass sich wiedervernässte Hochmoore durch eine geregelte Bewässerung mittels Einstaugräben z.B. für die Kultivierung von Torfmoos eignen könnten. Diese Art von Anbau-Paludikultur kann als Biomassequelle bzw. als hochwertigen Torfersatz in Kultursubstraten dienen.
Im Gegensatz dazu zeichnen sich Niedermoore durch einen höheren Grundwasserstand und nährstoffreiche Böden mit hohem Stickstoffgehalt aus. Nach einer Wiedervernässung eignen sich diese Flächen einerseits für die extensive Nutzung als Streuwiese oder Weideland für Wasserbüffel. Andererseits bieten sie mit einer breiten Vielfalt an Pflanzenarten auch die Möglichkeit zur Biomasseproduktion, sowohl für die stoffliche als auch energetische Verwertung. Bedeutende Pflanzenarten für den mitteleuropäischen Raum sind Halmgüter, wie Schilf, Rohrkolben, Rohrglanzgras sowie Seggenarten, aber auch Staunässe tolerierende Holzarten, wie Weiden, Birken, Erlen oder Eschen sind typisch für diese Gebiete.
Weitere Informationen liefert das Greifswald Moor Center, das in einer umfassenden Datenbank von 200 Pflanzenarten, die sich für den Anbau als Paludikultur auf heimischen wiedervernässten Moorflächen eignen würden, 20 Arten als ökonomisch besonders vielversprechend bewertet hat. Hierbei wurden Nachhaltigkeitskriterien wie Torferhaltung, Marktpotenzial und bisherige Umsetzung in Betracht gezogen.
- Stoffliche Nutzung:
- als Einstreu,
- traditionell als Baustoff (z.B. Reetdach und Schilfmatte),
- im Bausektor als Dämmstoffalternative (Einblasdämmung, Dämmmatten oder Dämmplatten) oder Akkustik- und Schaumplatten sowie als Putzträger im Lehmbau,
- als Wertholz zur Herstellung von Span-, Faser- und OSB-Platten sowie Furnier- oder Sägeholz für Massivmöbel und Innenausbau (z.B. Schwarzerle),
- als Rohstoffe für die Industrie (z.B. Bioraffinerie) zur Herstellung von Basischemikalien.
- Energetische Nutzung:
- als Brennstoff in Biomasseheiz(kraft)werken in Form von Quaderballen, Pellets oder Briketts (z.B. Schilf und Seggen), als Substrat in Biogaslagen (insbesondere Rohrkolben, Rohrglanzgras und Schilfrohr.
Auch auf wiedervernässten Hochmooren bietet sich die Möglichkeit zur Kultivierung weiterer Pflanzenarten, die für die stoffliche Verwertung von Interesse sein könnten. Torfmoos gilt als dominierende Art dieser Gebiete und kann vorwiegend in Kultursubstraten des Pflanzenbaus als Torfersatzstoff herangezogen werden. Zusätzlich weist Paludikultur auf diesen Standorten ein beachtliches Potenzial hinsichtlich Phyto- und Alternativmedizin auf, denn ein breites Spektrum an relevanten Arzneipflanzen, würden sich für den Anbau eignen. Zu den wichtigen Vertretern dieser Arten gehören der rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia L.), der Fieberklee (Menyanthes trifoliata), der Faulbaum (Frangula alnus) oder auch der Ufer-Wolfstrapp (Lycopus europaeus).
Hilfestellung, das passende Angebot herauszufiltern sowie eine intensive Betreuung von Anfang an, bieten verschiedene Forschungseinrichtungen, gemeinnützige Organisationen sowie die zuständigen Behörden. Zudem gibt es die Möglichkeit für Betriebe an Modellprojekten teilzunehmen.
Quelle: greifswaldmoor.de/files/images/pdfs/201908_Broschuere_Klimaschutz%20auf%20Moorböden_2019.pdf
220.000 Hektar Moorflächen gibt es in Bayern. Ziel der bayerischen Staatsregierung ist es, ein Viertel dieser Flächen bis 2040 zu renaturieren. Geht man auch hier von ca. 80 % aus, die bis dahin in Paludikultur überführt werden könnte, stünde bis 2040 eine Fläche von 44.000 ha zum Anbau von Paludikulturen zur Verfügung. Die restlichen Flächen böten ein Potenzial für weitere Paludikultur-Nutzung von ca. 130.000 ha (80%).
- https://cham.bund-naturschutz.de/projekte/arracher-moor/hochmoor-oder-niedermoor
- https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/lexikon-a-z/paludikultur
- https://www.greifswaldmoor.de/dppp-109.html#:~:text=The%20Database%20of%20Potential%20Paludiculture%20Plants%20%28DPPP%29%20thus,of%20peat%20soil%2C%20market%20potential%20and%20existing%20implementation.
- https://www.moorwissen.de/paludikultur.html
- https://www.moorwissen.de/paludikultur-auf-niedermoor-standorten.html
- https://www.moorwissen.de/hintergrund.html
- https://www.boell.de/de/2023/01/10/wiedervernaessung-von-mooren-ein-baustein-im-kampf-gegen-die-klimakrise
- https://www.researchgate.net/publication/268800786_Paludikulturpflanzen_-_Potentiale_aufdecken_mit_der_DPPP_Database_of_Potential_Paludiculture_Plants
- https://www.dehst.de/SharedDocs/downloads/DE/projektmechanismen/Hintergrundpapier-hemmnisse-paludikultur.pdf?__blob=publicationFile&v=2
- https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/cc_44-2022_entwickeln_von_anreizen_fuer_paludikultur_zur_umsetzung_der_klimaschutzziele_2030_und_2050.pdf
- https://pflanzen.fnr.de/paludikultur
- https://www.praxis-agrar.de/umwelt/klima/paludikultur
- http://duene-greifswald.de/de/kursangebote.php_landwirtschaftsberatung.php
- https://www.oekolandbau.de/landwirtschaft/pflanze/anbausysteme/paludikultur-moore-vernaessen-und-landwirtschaftlich-nutzen/
- https://www.gebaeudeforum.de/service/newsletter/ausgabe-03/2023/baustoffe-nachhaltige-oekosysteme/?mtm_campaign=ausgabe-03-2023&mtm_kwd=nachhaltige-baustoffe
- https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/klimaschutzfaktor-moore-co2-binden-statt-freisetzen
- https://www.stmelf.bayern.de/foerderung/foerderung-von-agrarumweltmassnahmen-in-bayern/index.html
- https://www.potsdam.de/system/files/documents/Leitfaden-Paludikultur_2012.12_21%5B1%5D.pdf
- https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0960148120308612?via%3Dihub