Bioraffinerie – Grundlagen
Dabei wird eine möglichst vollständige und somit effiziente Nutzung der Biomasse angestrebt. Dieses Ziel wird durch ein integratives Bioraffineriekonzept verfolgt, das die Verwertung aller und ggf. Kopplung der entstehenden Stoff- und Energieströme während des Produktionsverfahrens vorsieht.
Generell werden zwei Prozessphasen unterschieden, die sich durch das gewonnene Zwischenprodukt, die sogenannte Plattform, definieren: die Primärraffination, bei der die Plattform gewonnen wird, und die Sekundärraffination, bei der deren Weiterverarbeitung erfolgt.
In der Primärraffination kommen tendenziell technologisch einfachere Verfahren zum Einsatz, wie etwa mechanisches Zerkleinern oder Pressen der Biomasse. Sie dient v.a. dem Aufschluss der biogenen Rohstoffe, um Inhaltsstoffe wie Zucker, Stärke, Öle, Lignocellulose oder Proteine zugänglich zu machen. Stoffabhängig können weitere Vorbehandlungen erfolgen um etwa einfachere, kürzere organische Verbindungen zu erhalten, z.B. kann Lignocellulose in mehrere Fraktionen aufgespalten werden. Abschließend werden die Plattform und ggf. vorhandene Koppelprodukte separiert, beispielsweise durch Absieben der Pflanzenfasern von flüssigen Bestandteilen, Auskristallisieren von Zucker oder Abscheiden von Gas von festen oder flüssigen Rückständen.
Bei der Sekundärraffination erfolgt die Konversion und Veredelung der Plattform zu den Haupt- und Nebenprodukten. Ausgehend von der jeweils vorliegenden Plattform sind vielfältige Nutzungspfade möglich. Zum Erreichen der angestrebten Produkte kommen zumeist verfahrenstechnisch komplexere Methoden, wie physikalische, chemische und/oder biotechnologische Prozesse zum Einsatz, beispielsweise kann Zucker vergoren, Stärke modifiziert, Pflanzenöl in Glycerin und Fettsäuren aufgetrennt werden.
Je integrativer eine Bioraffinerie konzipiert ist, desto effizienter werden alle Fraktionen der Biomasse genutzt.
- Zucker-Bioraffinerie
- Stärke-Bioraffinerie
- Lignocellulose-Bioraffinerie*
- Presssaft-Bioraffinerie oder Grüne Bioraffinerie
- Pflanzenöl-Bioraffinerie
- Algenlipid-Bioraffinerie
- Synthesegas-Bioraffinerie
- Biogas-Bioraffinerie
Als zweites obligatorisches Kriterium zur Einteilung wird die eingesetzte Rohstoffbasis angegeben. Eine weiterführende Systematisierung kann optional über das angestrebte Hauptprodukt erfolgen.
Beispiele:
- Zucker-Bioraffinerie auf Basis von Getreide (zur Bioethanolgewinnung)
- Lignocellulose*-Bioraffinerie auf Basis von Stroh (zur Gewinnung von Kraftstoffen)
- Presssaft- (oder Grüne) Bioraffinerie auf Basis von Grassilage (zur Erzeugung von Biogas)
*Konsequenterweise wäre die korrekte Bezeichnung Cellulose-Hemicellulose-Lignin-Bioraffinerie; in der Praxis hat sich jedoch der Begriff Lignocellulose-Bioraffinerie etabliert.
Die Plattform kann chemisch-stofflich unterschiedlicher Natur sein, basierend auf den Inhaltsstoffen, die in der Biomasse enthalten sind, sowie den angewandten Verarbeitungsverfahren. Die durch natürliche Syntheseleistung erzeugten chemischen Strukturen können dabei gezielt erhalten bleiben oder in unterschiedlichem Ausmaß abgebaut bzw. modifiziert werden. Bei Zucker, Stärke, Fasern, Ölen, Proteinen oder Lignin beispielsweise bleiben diese biogenen Komponenten in ihrer Molekülstruktur ganz oder größtenteils bestehen. Bei Pflanzenkohle, Pyrolyseöl, Bio-Wasserstoff, Biogas oder Syngas als Zwischenprodukt erfolgt durch chemische oder biotechnologische Prozesse bei der Primärraffination praktisch ein kompletter Umbau der ursprünglichen Verbindungen.
- Land-, forstwirtschaftlich oder aquatisch erzeugte Rohstoffe: z.B. Zuckerrüben, Stärkekartoffeln, Getreide, Gras, Holz, Algen
- Biogene Reststoffe aus Land-, Forstwirtschaft oder Industrie: z.B. Rübenblatt, Maisspindeln, Gülle, Waldrestholz; Treber, Molke, Gärreste
- Biogene Abfallstoffe: z.B. Lebensmittelabfälle, biogenes Altöl, Gebrauchtholz
Hinsichtlich der Priorisierung der Lebensmittelversorgung sowie einer gesteigerten Ressourceneffizienz liegt der Fokus v.a. in der Nutzung von Nebenströmen, im Schließen von Stoffkreisläufen und der Kaskadennutzung biogener Rohstoffe – sprich im Einsatz von Rest- und (bisherigen) Abfallstoffen. Im Sinne der Bioökonomie resultiert aus der ganzheitlicheren Nutzung von Biomasse und Erschließung neuer Absatzwege für deren Erzeuger eine erhöhte ökologische wie auch ökonomische Wertschöpfung.
Beispielsweise lassen sich Tenside für Kosmetik- und Reinigungsmittel ausgehend von Zucker und Fettsäuren herstellen. Bioethanol kann als Kraftstoff oder in Reinigungsmitteln, Pharmazeutika und Kosmetika eingesetzt oder aber zu anderen Chemikalien umgesetzt werden. Pflanzenfasern werden zu faserverstärkten Werkstoffen etwa für Verpackungen verarbeitet.