Herkömmliches Wärmenetz oder Kaltnetz?

Kalte Wärmenetze werden mit Wassertemperaturen von lediglich 8 bis 20°C betrieben. Das kann zum Beispiel Grundwasser sein, welches der Netzbetreiber in den Rohren seines Wärmenetzes zu den Verbrauchern pumpt. Die Wärmekunden nutzen das Wasser gegen Entgelt zum Heizen oder Kühlen ihrer Gebäude. Dabei sind die niedrigen Temperaturen des Grundwassers von ganzjährig etwa 8°C zum Heizen völlig ausreichend, denn der Wärmekunde hat eine mit elektrischem Strom betriebene Wärmepumpe, und diese entzieht dem gelieferten Wasser die nötige Heizenergie. Wie bei einem herkömmlichen Wärmenetz können Wärmespeicher die über den Tag und über das Jahr schwankende Energiebilanz ausgleichen.[KG(1] 

Vorteile

Je nach Anwendungsgebiet hat die kalte Nahwärme Vorteile gegenüber herkömmlichen Wärmenetzen:

  • geringerer Wärmeverlust der Wärmeverteilung,
  • Wärmenetz aus kostengünstigen Materialien,
  • Rohrleitungen ohne Wärmedämmung,
  • offener Kreislauf möglich,
  • Wärmelieferung über große Distanzen möglich,
  • Ausbau des Wärmenetzes in Etappen möglich.

Das macht die kalte Nahwärme besonders interessant für Neubaugebiete. Wärmepumpen, die im Kaltnetz arbeiten, können zudem mit einer relativ großen Jahresarbeitszahl betrieben werden.

Nachteile

Das niedrige Temperaturniveau macht große Volumenströme im Netz erforderlich. Die Rohrleitungen haben deshalb einen größeren Durchmesser als die Leitungen herkömmlicher Wärmenetze. Außerdem ist mehr Energie für das Umwälzen des Heizwassers im Rohrleitungsnetz notwendig, kalte Wärmenetze brauchen also mehr Pumpstrom.

Netztypen und Netzstrukturen

Im einfachsten Fall ist das Netz, wie im Beispiel oben beschrieben, als offenes Einleiternetz ausgeführt. Meist wird jedoch ein Zweileiternetz mit Vorlauf- und Rücklaufleitung verwendet. Der Vorlauf hat beim Heizbetrieb eine größere Temperatur als der Rücklauf, beim Kühlbetrieb ist es umgekehrt. Aufwändiger sind 3- oder 4-Leiter-Systeme. Das 3-Leiter-System weist zwei Vorlaufleitungen mit unterschiedlichen Temperaturniveaus auf, beim 4-Leiter-System sind es vier Rohrleitungen mit unterschiedlichen Temperaturen. Heizen und Kühlen können damit wahlweise konventionell mit Wärmetauscher oder „innovativ“ mit Wärmepumpe bzw. Kältemaschine erfolgen. Das ermöglicht einen besonders effizienten Betrieb.

Abhängig vom Energiefluss können außerdem unidirektionale und bidirektionale Netze sowie Mischformen daraus unterschieden werden. Bei der unidirektionalen Auslegung ist das Netz stets entweder Wärmequelle oder Wärmesenke, bidirektionale Netze dahingegen dienen zeitgleich oder mit etwas Zeitversatz sowohl als Wärmequelle als auch als Wärmesenke. Eine Mischform wäre beispielsweise das Kühlen im Sommer und das Heizen im Winter mit dem Netz.

Während konventionelle Wärmenetze in der Regel als gerichtetes Netz betrieben werden, die Netzpumpe also üblicherweise von der Heizzentrale zu den Wärmekunden fördert, kann kalte Nahwärme auch ungerichtet arbeiten. In diesem Fall wird für einzelne Verbraucher der Vorlauf zum Rücklauf, beispielsweise weil der eine Kunde noch heizt, der andere aber schon kühlt.

Kosten und Nutzen

Die Investitionen der Wärmeverteilung liegen beim kalten Wärmenetz spezifisch nicht viel tiefer als beim herkömmlichen Wärmenetz. Zwar entfällt die Wärmedämmung der Rohrleitungen, doch ergeben sich wegen der größeren Rohrdurchmesser ähnlich hohe Kosten für die Grabarbeiten wie bei herkömmlichen Verteilnetzen. Außerdem ist der größere Pumpstromverbrauch zu beachten, welcher sich belastend auf die Betriebskosten auswirkt.

Diese Kosten und Risiken teilen sich Netzbetreiber und Wärmekunden. Die Erschließung der Wärmequelle erfolgt auf Risiko des Netzbetreibers, die Wärmekunden tragen die Kosten für Anschaffung und Betrieb ihrer Wärmepumpen.

Insgesamt ergeben sich ähnlich hohe Wärmegestehungskosten wie bei herkömmlichen Wärmeversorgungsvarianten. Der Vorteil der kalten Wärmenetze liegt nicht unbedingt im Wärmepreis sondern im möglicherweise geringeren Risiko, wenn mit niedriger Wärmebelegungsdichte, einer unsicheren Bedarfsstruktur und einer eventuell verzögerten Aufsiedelung gearbeitet werden muss – typischerweise bei Neubaugebieten.