Bioraffinerie

In einer Bioraffinerie wird Biomasse in einem komplexen System aus physikalischen, chemischen und/oder biotechnologischen Prozessen in eine Vielzahl von Produkten, chemischen Substanzen und/oder Energie umgewandelt. Ziel ist es, die Biomasse möglichst vollständig, effizient und dadurch nachhaltig zu nutzen: Die Hauptkomponenten werden zum gewünschten Produkt veredelt, Koppelprodukte und Reststoffe möglichst hochwertig genutzt oder andernfalls Energie daraus gewonnen (Kaskadennutzung). Schwerpunkt bei C.A.R.M.E.N. e.V. sind Bioraffineriekonzepte, die auf die Herstellung von biobasierten Fasern und Werkstoffen fokussiert sind.

Unsere Themen

Roh- und Reststoffe
Grundsätzlich eignen sich viele Stoffe pflanzlichen Ursprungs für den Einsatz in Bioraffinerien. Verwendet werden können:

  • Land-, forstwirtschaftlich oder aquatisch erzeugte Rohstoffe: z.B. Zuckerrüben, Stärkekartoffeln, Getreide, Gras, Holz oder Algen
  • Biogene Reststoffe: z.B. Stroh, Rübenblatt, Maisspindeln, Gülle, Waldrestholz, Treber, Molke oder Gärreste
  • Biogene Abfallstoffe: z.B. Lebensmittelabfälle, biogenes Altöl oder Altholz

Hinsichtlich der Priorisierung der Lebensmittelversorgung sowie einer gesteigerten Ressourceneffizienz liegt der Fokus v.a. in der Nutzung von Nebenströmen, im Schließen von Stoffkreisläufen und der Kaskadennutzung biogener Rohstoffe – sprich im Einsatz von Rest- und Abfallstoffen.

Verfahren/Plattformen
Generell werden zwei Prozessstufen unterschieden: Die Primärraffination, bei der die Hauptkomponenten (Plattform) gewonnen werden, und die Sekundärraffination, bei der deren Weiterverarbeitung erfolgt.

Im ersten Schritt wird der Rohstoff (z.B. Gras, Stroh oder Holz) vorbehandelt, aufgeschlossen und die Hauptkomponenten (z.B. Cellulose, Stärke oder Lignin) werden abgetrennt. Diese werden anschließend mit verschiedensten physikalischen, chemischen und/oder biotechnologischen Verfahren weiter modifiziert.

Anfallende Koppelprodukte oder Reststoffe werden möglichst hochwertig oder ggf. zur Energieerzeugung genutzt (Kaskadennutzung).

Produkte
Die Vielfalt bei der chemischen Stoffzusammensetzung der eingesetzten Biomasse sowie bei den angewandten Verfahrensschritten ermöglicht ein breites Spektrum an Produkten. So lässt sich einerseits Energie in Form von Strom, Wärme, festen, flüssigen oder gasförmigen Energieträgern erzeugen. Andererseits können neben Lebens- und Futtermitteln auch Fasern und Grundchemikalien produziert werden. Diese lassen sich zu Werkstoffen verarbeiten oder dienen der Industrie als Ausgangsstoffe für chemisch-technische Prozesse.

So finden Produkte aus Bioraffinerien Verwendung als Fein- und Spezialchemikalien, Tenside, Kleb- und Farbstoffe, Biokunststoffe, Düngemittel, Schmier- und Kraftstoffe, Textilien, in Papierprodukten, Pharmazeutika und Kosmetika.

Aktuelles

FAQ

Bioraffinerie – Grundlagen

Was ist eine Bioraffinerie?
In einer Bioraffinerie wird Biomasse verarbeitet, um eine Vielzahl an biobasierten Produkten herzustellen. Die eingesetzten pflanzlichen oder tierischen Rohstoffe werden dabei aufbereitet, in Komponenten aufgetrennt und zu Haupt- und Nebenprodukten veredelt, welche Werkstoffe, chemische Grundstoffe, Energieträger, Energie sowie Nahrungs- oder Futtermittel sein können.
Dabei wird eine möglichst vollständige und somit effiziente Nutzung der Biomasse angestrebt. Dieses Ziel wird durch ein integratives Bioraffineriekonzept verfolgt, das die Verwertung aller und ggf. Kopplung der entstehenden Stoff- und Energieströme während des Produktionsverfahrens vorsieht.
Wie funktioniert eine Bioraffinerie?
Es gibt verschiedene Formen von Bioraffinerien, dementsprechend variieren auch die Verarbeitungsverfahren. Diese sind oftmals ein komplexer Verfahrensverbund von physikalischen, chemischen und/oder biotechnologischen Prozessschritten, welche parallel oder nacheinander ablaufen können. Die jeweils angewandten Methoden sind den eingesetzten Ausgangsstoffen, dem gewünschten Zwischenprodukt und den angestrebten Haupt- und Nebenprodukten angepasst. Auch standortspezifische Faktoren, wie bereits vorhandene Technikanlagen können dabei einfließen. „Den“ Standard -Ablauf in „der“ Muster-Bioraffinerie gibt es demnach nicht.
Generell werden zwei Prozessphasen unterschieden, die sich durch das gewonnene Zwischenprodukt, die sogenannte Plattform, definieren: die Primärraffination, bei der die Plattform gewonnen wird, und die Sekundärraffination, bei der deren Weiterverarbeitung erfolgt.
In der Primärraffination kommen tendenziell technologisch einfachere Verfahren zum Einsatz, wie etwa mechanisches Zerkleinern oder Pressen der Biomasse. Sie dient v.a. dem Aufschluss der biogenen Rohstoffe, um Inhaltsstoffe wie Zucker, Stärke, Öle, Lignocellulose oder Proteine zugänglich zu machen. Stoffabhängig können weitere Vorbehandlungen erfolgen um etwa einfachere, kürzere organische Verbindungen zu erhalten, z.B. kann Lignocellulose in mehrere Fraktionen aufgespalten werden. Abschließend werden die Plattform und ggf. vorhandene Koppelprodukte separiert, beispielsweise durch Absieben der Pflanzenfasern von flüssigen Bestandteilen, Auskristallisieren von Zucker oder Abscheiden von Gas von festen oder flüssigen Rückständen.
Bei der Sekundärraffination erfolgt die Konversion und Veredelung der Plattform zu den Haupt- und Nebenprodukten. Ausgehend von der jeweils vorliegenden Plattform sind vielfältige Nutzungspfade möglich. Zum Erreichen der angestrebten Produkte kommen zumeist verfahrenstechnisch komplexere Methoden, wie physikalische, chemische und/oder biotechnologische Prozesse zum Einsatz, beispielsweise kann Zucker vergoren, Stärke modifiziert, Pflanzenöl in Glycerin und Fettsäuren aufgetrennt werden.
Je integrativer eine Bioraffinerie konzipiert ist, desto effizienter werden alle Fraktionen der Biomasse genutzt.
Welche Arten von Bioraffinerien unterscheidet man?
Die Klassifizierung von Bioraffinerien erfolgt vorrangig über das bei der Primärraffination erzeugte Zwischenprodukt, die Plattform. In Deutschland werden folgende besonders thematisiert:

  • Zucker-Bioraffinerie
  • Stärke-Bioraffinerie
  • Lignocellulose-Bioraffinerie*
  • Presssaft-Bioraffinerie oder Grüne Bioraffinerie
  • Pflanzenöl-Bioraffinerie
  • Algenlipid-Bioraffinerie
  • Synthesegas-Bioraffinerie
  • Biogas-Bioraffinerie

Als zweites obligatorisches Kriterium zur Einteilung wird die eingesetzte Rohstoffbasis angegeben. Eine weiterführende Systematisierung kann optional über das angestrebte Hauptprodukt erfolgen.
Beispiele:

  • Zucker-Bioraffinerie auf Basis von Getreide (zur Bioethanolgewinnung)
  • Lignocellulose*-Bioraffinerie auf Basis von Stroh (zur Gewinnung von Kraftstoffen)
  • Presssaft- (oder Grüne) Bioraffinerie auf Basis von Grassilage (zur Erzeugung von Biogas)

*Konsequenterweise wäre die korrekte Bezeichnung Cellulose-Hemicellulose-Lignin-Bioraffinerie; in der Praxis hat sich jedoch der Begriff Lignocellulose-Bioraffinerie etabliert.

Wieso stellen Bioraffinerien ein wichtiges Konzept der Bioökonomie dar?
Die Bioökonomie zielt auf eine nachhaltige, ressourcenschonende und zirkuläre post-fossile Wirtschaftsweise ab, die regionale, ländliche Räume stärkt und innovative Technologien fördert. Bioraffinerien setzen genau hier an. Das integrative Bioraffineriekonzept verfolgt die vollständige und effiziente Nutzung möglichst sämtlicher energetischer und stofflicher Potentiale, die in der Biomasse gespeichert sind. Die vorrangige Verwendung von land- und forstwirtschaftlichen Reststoffen, soll eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion explizit vermeiden und die Ressourceneffizienz steigern. Die zusätzliche Vermarktung von Nebenerzeugnissen sowie mitunter in dezentralen Bioraffinerie-Einheiten erzeugten Plattformchemikalien, können im Agrar- und Forstsektor neue Absatzmärkte erschließen und Arbeitsplätze schaffen. Der Ersatz fossiler durch biobasierte Rohstoffe, die durch Bioraffinerien erzeugt werden, können einen wichtigen Beitrag zu den formulierten Klimaschutzzielen leisten.

Unser Beratungsangebot

Wir beraten und informieren Sie gerne rund um das Thema Bioraffinerie – online, telefonisch oder persönlich vor Ort!

Hier finden Sie unsere C.A.R.M.E.N.-Expertinnen in diesem Bereich:

Dr. Bettina Fink
Dr. Doris Firlbeck