FAQ – Bioraffinerie

Bioraffinerie – Grundlagen

Was ist eine Bioraffinerie?
In einer Bioraffinerie wird Biomasse verarbeitet, um eine Vielzahl an biobasierten Produkten herzustellen. Die eingesetzten pflanzlichen oder tierischen Rohstoffe werden dabei aufbereitet, in Komponenten aufgetrennt und zu Haupt- und Nebenprodukten veredelt, welche Werkstoffe, chemische Grundstoffe, Energieträger, Energie sowie Nahrungs- oder Futtermittel sein können.
Dabei wird eine möglichst vollständige und somit effiziente Nutzung der Biomasse angestrebt. Dieses Ziel wird durch ein integratives Bioraffineriekonzept verfolgt, das die Verwertung aller und ggf. Kopplung der entstehenden Stoff- und Energieströme während des Produktionsverfahrens vorsieht.
Wie funktioniert eine Bioraffinerie?
Es gibt verschiedene Formen von Bioraffinerien, dementsprechend variieren auch die Verarbeitungsverfahren. Diese sind oftmals ein komplexer Verfahrensverbund von physikalischen, chemischen und/oder biotechnologischen Prozessschritten, welche parallel oder nacheinander ablaufen können. Die jeweils angewandten Methoden sind den eingesetzten Ausgangsstoffen, dem gewünschten Zwischenprodukt und den angestrebten Haupt- und Nebenprodukten angepasst. Auch standortspezifische Faktoren, wie bereits vorhandene Technikanlagen können dabei einfließen. „Den“ Standard -Ablauf in „der“ Muster-Bioraffinerie gibt es demnach nicht.
Generell werden zwei Prozessphasen unterschieden, die sich durch das gewonnene Zwischenprodukt, die sogenannte Plattform, definieren: die Primärraffination, bei der die Plattform gewonnen wird, und die Sekundärraffination, bei der deren Weiterverarbeitung erfolgt.
In der Primärraffination kommen tendenziell technologisch einfachere Verfahren zum Einsatz, wie etwa mechanisches Zerkleinern oder Pressen der Biomasse. Sie dient v.a. dem Aufschluss der biogenen Rohstoffe, um Inhaltsstoffe wie Zucker, Stärke, Öle, Lignocellulose oder Proteine zugänglich zu machen. Stoffabhängig können weitere Vorbehandlungen erfolgen um etwa einfachere, kürzere organische Verbindungen zu erhalten, z.B. kann Lignocellulose in mehrere Fraktionen aufgespalten werden. Abschließend werden die Plattform und ggf. vorhandene Koppelprodukte separiert, beispielsweise durch Absieben der Pflanzenfasern von flüssigen Bestandteilen, Auskristallisieren von Zucker oder Abscheiden von Gas von festen oder flüssigen Rückständen.
Bei der Sekundärraffination erfolgt die Konversion und Veredelung der Plattform zu den Haupt- und Nebenprodukten. Ausgehend von der jeweils vorliegenden Plattform sind vielfältige Nutzungspfade möglich. Zum Erreichen der angestrebten Produkte kommen zumeist verfahrenstechnisch komplexere Methoden, wie physikalische, chemische und/oder biotechnologische Prozesse zum Einsatz, beispielsweise kann Zucker vergoren, Stärke modifiziert, Pflanzenöl in Glycerin und Fettsäuren aufgetrennt werden.
Je integrativer eine Bioraffinerie konzipiert ist, desto effizienter werden alle Fraktionen der Biomasse genutzt.
Welche Arten von Bioraffinerien unterscheidet man?
Die Klassifizierung von Bioraffinerien erfolgt vorrangig über das bei der Primärraffination erzeugte Zwischenprodukt, die Plattform. In Deutschland werden folgende besonders thematisiert:

  • Zucker-Bioraffinerie
  • Stärke-Bioraffinerie
  • Lignocellulose-Bioraffinerie*
  • Presssaft-Bioraffinerie oder Grüne Bioraffinerie
  • Pflanzenöl-Bioraffinerie
  • Algenlipid-Bioraffinerie
  • Synthesegas-Bioraffinerie
  • Biogas-Bioraffinerie

Als zweites obligatorisches Kriterium zur Einteilung wird die eingesetzte Rohstoffbasis angegeben. Eine weiterführende Systematisierung kann optional über das angestrebte Hauptprodukt erfolgen.
Beispiele:

  • Zucker-Bioraffinerie auf Basis von Getreide (zur Bioethanolgewinnung)
  • Lignocellulose*-Bioraffinerie auf Basis von Stroh (zur Gewinnung von Kraftstoffen)
  • Presssaft- (oder Grüne) Bioraffinerie auf Basis von Grassilage (zur Erzeugung von Biogas)

*Konsequenterweise wäre die korrekte Bezeichnung Cellulose-Hemicellulose-Lignin-Bioraffinerie; in der Praxis hat sich jedoch der Begriff Lignocellulose-Bioraffinerie etabliert.

Im Kontext der Bioraffinerien liest man häufig von Plattformen? Was versteht man darunter?
Das Zwischenprodukt, das man durch die Primärraffination aus der Biomasse gewinnt, wird als Plattform bezeichnet – nicht zu verwechseln mit dem Begriff der Plattformchemikalien. Ihr kommt eine zentrale Rolle im Konzept der Bioraffinerie zu. Für eine großindustrielle Verarbeitung soll sie zum einen möglichst homogen aus unterschiedlichen biobasierten Quellen produzierbar sein. Zum anderen soll die Plattform eine Vielzahl an möglichen Prozesswegen eröffnen, die wiederum einen multiplexen Produktstammbaum zugänglich machen. Sie wird zudem bei der Systematisierung von Bioraffinerien primär zu Grunde gelegt.
Die Plattform kann chemisch-stofflich unterschiedlicher Natur sein, basierend auf den Inhaltsstoffen, die in der Biomasse enthalten sind, sowie den angewandten Verarbeitungsverfahren. Die durch natürliche Syntheseleistung erzeugten chemischen Strukturen können dabei gezielt erhalten bleiben oder in unterschiedlichem Ausmaß abgebaut bzw. modifiziert werden. Bei Zucker, Stärke, Fasern, Ölen, Proteinen oder Lignin beispielsweise bleiben diese biogenen Komponenten in ihrer Molekülstruktur ganz oder größtenteils bestehen. Bei Pflanzenkohle, Pyrolyseöl, Bio-Wasserstoff, Biogas oder Syngas als Zwischenprodukt erfolgt durch chemische oder biotechnologische Prozesse bei der Primärraffination praktisch ein kompletter Umbau der ursprünglichen Verbindungen.
Welche Rohstoffe werden in Bioraffinerien eingesetzt?
Grundsätzlich eignen sich viele Stoffe pflanzlichen und tierischen Ursprungs für den Einsatz in Bioraffinerien. Aus der chemisch-stofflichen Zusammensetzung biogener Komponenten folgt deren Eignung für die Herstellung bestimmter Plattformen in ausreichender Menge, Qualität und Reinheit und somit für den Einsatz in entsprechenden Bioraffinerien. Allgemein kann Biomasse in drei Kategorien eingeteilt werden:

  • Land-, forstwirtschaftlich oder aquatisch erzeugte Rohstoffe: z.B. Zuckerrüben, Stärkekartoffeln, Getreide, Gras, Holz, Algen
  • Biogene Reststoffe aus Land-, Forstwirtschaft oder Industrie: z.B. Rübenblatt, Maisspindeln, Gülle, Waldrestholz; Treber, Molke, Gärreste
  • Biogene Abfallstoffe: z.B. Lebensmittelabfälle, biogenes Altöl, Gebrauchtholz

Hinsichtlich der Priorisierung der Lebensmittelversorgung sowie einer gesteigerten Ressourceneffizienz liegt der Fokus v.a. in der Nutzung von Nebenströmen, im Schließen von Stoffkreisläufen und der Kaskadennutzung biogener Rohstoffe – sprich im Einsatz von Rest- und (bisherigen) Abfallstoffen. Im Sinne der Bioökonomie resultiert aus der ganzheitlicheren Nutzung von Biomasse und Erschließung neuer Absatzwege für deren Erzeuger eine erhöhte ökologische wie auch ökonomische Wertschöpfung.

Welche Produkte lassen sich in einer Bioraffinerie erzeugen?
Für einen Wandel weg von einer Lebens- und Wirtschaftsweise, die überwiegend auf fossilen Rohstoffen basiert, bedarf es biogener Alternativen. In Analogie zu einer Erdölraffinerie soll deshalb in einer Bioraffinerie aus Biomasse ein breites Spektrum an unterschiedlichen Produkten erzeugt werden. Diese Vielfalt wird in Abhängigkeit von der chemischen Stoffzusammensetzung der eingesetzten Biomasse und bei der Verarbeitung angewandten Verfahrensschritte ermöglicht. So lässt sich einerseits Energie in Form von Strom, Wärme, festen, flüssigen oder gasförmigen Energieträgern erzeugen. Andererseits können neben Lebens- und Futtermitteln Werkstoffe und Chemikalien produziert werden. Diese lassen sich zu fertigen Erzeugnissen verarbeiten oder dienen der Industrie als chemische Grundstoffe, die noch weiter modifiziert werden. So finden Produkte aus Bioraffinerien Verwendung als Fein- und Spezialchemikalien, Tenside, Kleb- und Farbstoffe, Biokunststoffe, Düngemittel, Schmier- und Kraftstoffe, Textilien, in Papierprodukten, Pharmazeutika und Kosmetika – also in der ganzen Reihe an Konsumgütern.
Beispielsweise lassen sich Tenside für Kosmetik- und Reinigungsmittel ausgehend von Zucker und Fettsäuren herstellen. Bioethanol kann als Kraftstoff oder in Reinigungsmitteln, Pharmazeutika und Kosmetika eingesetzt oder aber zu anderen Chemikalien umgesetzt werden. Pflanzenfasern werden zu faserverstärkten Werkstoffen etwa für Verpackungen verarbeitet.
Wieso stellen Bioraffinerien ein wichtiges Konzept der Bioökonomie dar?
Die Bioökonomie zielt auf eine nachhaltige, ressourcenschonende und zirkuläre post-fossile Wirtschaftsweise ab, die regionale, ländliche Räume stärkt und innovative Technologien fördert. Bioraffinerien setzen genau hier an. Das integrative Bioraffineriekonzept verfolgt die vollständige und effiziente Nutzung möglichst sämtlicher energetischer und stofflicher Potentiale, die in der Biomasse gespeichert sind. Die vorrangige Verwendung von land- und forstwirtschaftlichen Reststoffen, soll eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion explizit vermeiden und die Ressourceneffizienz steigern. Die zusätzliche Vermarktung von Nebenerzeugnissen sowie mitunter in dezentralen Bioraffinerie-Einheiten erzeugten Plattformchemikalien, können im Agrar- und Forstsektor neue Absatzmärkte erschließen und Arbeitsplätze schaffen. Der Ersatz fossiler durch biobasierte Rohstoffe, die durch Bioraffinerien erzeugt werden, können einen wichtigen Beitrag zu den formulierten Klimaschutzzielen leisten.