August 2024: Windkraftvorurteile auf dem Prüfstand

In Niederbayern, insbesondere in der Straubinger Gegend, sind Windkraftanlagen (WKA) noch ein eher seltener Anblick. Wer gelegentlich von und nach Regensburg unterwegs ist, dem dürften die drei WKA des Windparks „Schiederhof“ bekannt sein, die sich auf dem Gemeindegebiet Wiesenfelden und somit gerade noch so im Landkreis Straubing‑Bogen befinden. Dabei ist die Nutzung der Windenergie keineswegs eine moderne Erscheinung der letzten Jahre. Bereits im Mittelalter wurde die Windenergie mit Hilfe von Windmühlen genutzt, unter anderem zum Mahlen von Getreide.

Funktionsprinzip

Die Funktionsweise moderner WKA unterscheidet sich allerdings von derer alter Windmühlen. So funktionieren Letztere nach dem sogenannten Widerstandsprinzip: Der Wind trifft auf die Widerstandsfläche Rotorblatt und „drückt“ so den Rotorstern in Bewegung. Moderne WKA arbeiten nach dem sogenannten „Auftriebsprinzip“: Die Rotorblätter heutiger Anlagen weisen eine spezielle Form auf, wodurch die Luft an Ober- und Unterseite in unterschiedlicher Geschwindigkeit vorbeiströmt. Das führt dazu, dass auf der einen Seite ein Überdruck und auf der anderen Seite ein Unterdruck entsteht (ähnlich wie bei Flugzeugen), wodurch der Rotorstern in Bewegung gesetzt wird. Dieses Prinzip führt zu einem deutlich höheren Wirkungsgrad, weshalb es sich auch durchgesetzt hat.

Infraschall

Ein verbreitetes Vorurteil im Windbereich besagt, dass von WKA ein für die menschliche Gesundheit schädlicher Infraschall ausgeht. Infraschall bezeichnet Schall mit einer Frequenz von unter 20 Hertz. Zum Vergleich: Vom Menschen hörbarer Schall liegt zwischen 20 und 20.000 Hertz, der relevante Bereich für das Sprachverständnis bei ca. 500 bis 5.000 Hertz. Es gibt sowohl natürliche (z. B. Meeresbrandung, Donner) als auch künstliche Infraschallquellen (z. B. Verkehrsmittel, WKA). Entscheidend für die Gesundheit ist der sogenannte Schalldruckpegel („Lautstärke“). Je weiter vom Sprachbereich entfernt, umso „lauter“ muss der Pegel sein, damit ein Geräusch hör- bzw. wahrnehmbar wird (Hör- und Wahrnehmungsschwelle). Wird diese Schwelle überschritten, kann es zu Störungen, bei sehr hohen Pegeln auch zu gesundheitlichen Auswirkungen kommen. Das Bundesimmissionsschutzgesetz schreibt an dieser Stelle entsprechende, verbindlich einzuhaltende Abstände vor. Messungen zeigten, dass der von Windkraftanlagen ausgehende Infraschall in Wohngebieten deutlich unter dieser Schwelle liegt. Bisher konnte kein Zusammenhang zwischen von Windanlagen ausgehenden Infraschall und gesundheitlichen Beeinträchtigungen wissenschaftlich belegt werden.

Flächenbedarf

Ein weiteres Vorurteil betrifft den Flächenbedarf von Windkraftanlagen. So wird behauptet, dass sehr große Flächen für die Nutzung der Windenergie versiegelt würden. Beim Flächenbedarf ist zu unterscheiden zwischen der dauerhaft und temporär benötigten Fläche sowie der tatsächlichen Standfläche. Temporär benötigte Flächen werden nur für den kurzen Zeitraum des Auf- und Abbaus der Anlage benötigt und können danach wieder genutzt werden. Die dauerhaft benötigte Fläche beschreibt die Fläche, die während des Betriebs der Anlage dauerhaft freizuhalten ist und so nicht mehr land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden kann. Bei Windkraft im Wald beträgt diese Fläche laut Fachagentur Wind und Solar rund 0,5 Hektar, wovon rund 0,05 ha auf die tatsächliche, versiegelte Standfläche der Anlage entfallen.

Gerechnet mit den eben genannten Durchschnittswerten bedeutet dies in etwa eine tatsächlich versiegelte Fläche von 15,3 ha in den bayerischen Wäldern (305 Anlagen) bzw. 57,5 ha im gesamten bayerischen Raum (1.150 Anlagen). Oder anders betrachtet einen Flächenverbrauch von 152,5 ha in bayerischen Wäldern bzw. 575 ha im gesamten bayerischen Raum. Zum Vergleich: Allein im Jahr 2020 betrug der Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr in Bayern laut Bayerischem Landesamt für Statistik rund 4.244 ha. Der Flächenverbrauch bzw. die Flächenversiegelung ist also ein allgemeines und kein windkraftspezifisches Problem. Der Ausbau der Windkraft trägt insbesondere zur Flächenversiegelung nur in sehr geringem Umfang bei.

Alexander Widmann, C.A.R.M.E.N.-Experte für Windenergie.

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