Energieintelligenz zwischen Heu und Kühen

Am Klarerhof bei Bayrischzell wurde am Fuße des Wendelstein eine autarke Ferienanlage mit einer Vielzahl von landwirtschaftlichen Effizienzprojekten geschaffen, die Potenzial zur Nachahmung versprechen. Wohnhaus, Ferienwohnungen, Pool, Sauna und Heutrocknungsanlage werden mittels mehrerer intelligent kombinierter Komponenten wie Wärmepumpen, Photovoltaik mit Abwärmenutzung, einem Holzvergaser-BHKW und Energiespeichern versorgt. Wir waren vor Ort, haben mit Planern und Eigentümern gesprochen und das System für Sie unter die Lupe genommen.

Stromversorgung und Energiemanagement

Die Gebäude des Klarerhof mit Haupthaus, Ferienwohnungen, Stall, Gemeinschaftsraum und Heizhaus werden ganzjährig mit dem Strom aus der eigenen 40 kWp PV-Anlage auf dem Dach des Heizhauses und zur Ergänzung mit einem Holzvergaser-BHKW (20 kW elektrische Leistung) versorgt. Zur Zwischenspeicherung dieser Energien wird eine AC-gekoppelte Lithiumionen-Batterie mit 40 kWh Kapazität genutzt. Sie sorgt für eine hohe Strombelastbarkeit und für die Glättung von Stromspitzen. Zahlreich verbaute Smartmeter verwalten dabei intelligent die Strommengen am Klarerhof, indem sie aktuelle Messwerte digital übermitteln. Dadurch können Verbraucher wie Sauna, E-Ladestationen und Wärmepumpen an die Erzeugungsleistung angepasst werden, was den Eigenbedarf optimal decken kann und seltene Stromnetz-Zugriffe ermöglicht.

Die Energieverwaltungssoftware der Maustronik GmbH vernetzt alle Komponenten zentral und optimiert die Energieflüsse mit minimalen Verlusten. Sie lernt selbstständig aus Erfahrungswerten, um den Energieaufwand zu minimieren und die Pufferladung im Nahwärmenetz effizient zu steuern. Energieströme und Parameter sind visualisiert und per Smartphone oder Tablet einsehbar. Die Software ist frei programmierbar und anpassbar, wodurch ständige Weiterentwicklungen und neue Ideen möglich sind.

Heizhaus und Nahwärmenetz

Auch bei der Wärmeversorgung wird über Gebäudegrenzen hinausgedacht: Im hofinternen Nahwärmenetz des Klarerhofs stellen eine Hackschnitzelheizung, ein Blockheizkraftwerk (BHKW) und mehrere Wärmepumpen die Wärme bereit. Es gibt drei Wärmepumpen im Heizhaus mit je 16 kW und eine Wärmepumpe im Milchviehstall mit 6,5 kW Leistung. Das BHKW erzeugt 60 kW Wärme und 20 kW Strom, wird aber nur genutzt, wenn beide Energieformen benötigt werden. Ist der Stromspeicher voll, übernimmt die Hackschnitzelheizung mit einer Grundlast von 40 kW die Wärmeversorgung.

Die Wärme wird in einem zentralen Pufferspeicher mit 26.000 Litern und dezentralen Pufferspeichern (2x 2000 Liter und 1x 1000 Liter) gespeichert und verteilt. Eine intelligente Steuerung lädt den zentralen Pufferspeicher nach Bedarf, basierend auf Wetterdaten und Nutzerverhalten. Die gespeicherte Wärme wird für die Trocknungsanlage und das hofinterne Nahwärmenetz genutzt, welches die dezentralen Pufferspeicher versorgt. Diese Steuerung gewährleistet, dass Wärmeverbraucher wie Heizkörper und der Pool nur bei Bedarf beheizt werden. Anstelle einer Durchschnittstemperaturmessung sorgen mehrere Temperaturfühler und Wärmemengenzähler für eine präzise Energieversorgung, wodurch Verluste minimiert werden. Überschüssige Wärme im Rücklauf wird genutzt, um den Pool zu heizen, solange die Temperatur über 30°C liegt.

Das Herzstück der Wärmeversorgung am Klarerhof bildet natürlich das Heizhaus mit seinem Holzvergaser-BHKW von Hargassner und drei Wärmepumpen (je 16 kW). Diese sind regelungstechnisch in Kaskade geschalten sind, was den Vorteil einer besseren Regelbarkeit bietet.
Wärmepumpen nutzen die Umgebungswärme und benötigen nur wenig Strom, um diese nutzbar zu machen. Am Klarerhof entziehen sie Abwärme aus verschiedenen Quellen, was COP-Werte über 4 ermöglicht. Sie verwenden eine Sole, die zwischen dem Wärmeort und den Wärmepumpen zirkuliert. In diesem Projekt wurde die Umgebung nun so gewählt, dass zugleich die Abwärme anderer Systeme und Anlagen sinnvoll genutzt werden kann. Konkret wird unter dem isolierten Dach des Heizhauses die Abwärme aus vier verschiedenen Quellen gesammelt und steht als Wärmelieferant zur Verfügung:

  • Abwärme des Blockheizkraftwerks und der Hackschnitzelheizung im selben Gebäude
  • Fassadenwärme des Heizhauses: An der Ost- und Westseite sind steuerbare Lüftungsklappen montiert, die an sonnigen Tagen die Stauwärme der Außenwände absaugen können.
  • Trocknungsanlage im selben Gebäude: Nutzung der Restwärme aus der Abluft des Trockners als zweite Stufe nach der Wärmerückgewinnung über den integrierten Kreuzwärmetauscher.
  • PV-Thermie: Nutzung der erwärmten und abgesaugten Luft unter der Photovoltaik-Anlage, wenn Trocknungsanlage nicht in Betrieb ist.

Landwirtschaftliche Trocknungsanlage

Eine weitere Komponente des Energiemanagementsystem ist die hofeigene Trocknungsanlage, die neben den Hackschnitzeln für den Holzvergaser und Heu auch für die Trocknung von bspw. Bauholz eingesetzt werden kann.  Ebenfalls entwickelt von der Firma Maustronik GmbH, passt sich die Schaltung flexibel an verschiedenes Trocknungsgut an. Anders als herkömmliche Trocknungsanlagen, die fest eingestellte Programme nutzen, misst diese Anlage kontinuierlich Feuchtigkeit, Temperatur und Volumenstrom vor und nach dem Trocknungsgut. Die gesammelten Daten ermöglichen es, den Volumenstrom und die Temperatur optimal anzupassen, um den Wassertransport aus dem Trocknungsgut bei minimalem Energieeinsatz zu maximieren. Eine Fuzzy-Regelung erhöht dabei stetig die Effizienz des Prozesses. Zusätzlich nutzt die Anlage ein ausgeklügeltes Zuluftsystem, das Restwärme aus umliegenden Anlagen verwendet.

Milchviehstall

Warum nicht die Milch als Wärmequelle für die Gebäudebeheizung nutzen? Im Milchviehstall des Klarerhofs verbessert eine Wärmepumpe die Milchkühlung, nutzt Wärmeenergie aus Milch, Erdreich und Abwasser, und erhöht die Effizienz. Dies verbessert die Kühlqualität und Hygienebedingungen. Bisherige Systeme nutzen die Wärme der Milch zur Warmwasserbereitung, was die Kühlleistung verschlechtert. Die Wärmepumpe reguliert die Kältemitteltemperatur gezielt und optimiert den Kühlprozess. Die Wärmepumpe erreicht höhere COP-Werte (Coefficient of Performance), indem sie Abwärme der Milch nutzt, was den Strombedarf senkt. Sie sorgt für eine bessere Vorkühlung der Milch vor dem Milchtank, besonders vorteilhaft für Robotermelkanlagen. Frischwasser-Vorkühler arbeiten mit 8-12°C, die Wärmepumpe liefert jedoch Solewasser mit 0-2°C, was die Milch auf etwa 4°C vorgekühlt in den Milchtank bringt. Die Wärmepumpe arbeitet geregelt, passt ihre Leistung von 0,5-2,1 kW stufenlos an und nutzt einen 30-Liter-Kaltwasserspeicher, wodurch ein Dauerbetrieb nicht nötig ist und der Strombedarf zeitweise auf null gesenkt werden kann. So wird sie gut ins Energiemanagement integriert.

Abwärmenutzung des Erdreichs und des Abwassers​

Die Wärmepumpe am Klarerhof nutzt Energie aus dem Erdspeicher und Abwasserkanal, indem ein 600 m langes Rohr im Abwasserkanal verlegt wurde. Diese Wärmepumpe mit 6,5 kW Leistung trägt zur Wärmeversorgung für Heißwasser, Warmwasser und Heizung der Betriebsräume bei, was Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit steigert. Die gewonnene Wärmeenergie wird in Heizwasser umgewandelt und vor Ort genutzt. Im Milchviehstall, wo der Melkroboter hohe Wassertemperaturen zur Reinigung benötigt, hilft die Wärmepumpe, das Brauchwasser von 14 °C auf 62 °C vorzuheizen, wodurch Heizenergie und Stromverbrauch gesenkt werden. Überschüssige Wärme kann im Sommer zum Pool, zur Trocknungsanlage oder zum Zentralpuffer zurückgeführt werden, je nach Bedarf.

Elektro-Ladestation zur eigenen und öffentlichen Nutzung

Am Klarerhof werden bald mehrere Elektro-Ladestationen installiert. Diese passen sich je nach Strombedarf der Fahrzeuge und dem aktuellen Energieüberschuss an. Bei positiver Strombilanz können E-Fahrzeuge geladen werden. Ein Elektro-Radlader mit einer 100 kWh Batterie wird intern genutzt und kann bei Bedarf Strom ins Netz zurückpeisen. Die Ladestationen sind intelligent regelbar und bieten verschiedene Modi: Der Ökomodus lädt nur bei Überschussstrom, während der „Sofort Laden“-Modus eine schnelle Beladung ermöglicht. Die Ladestationen sind für hofeigene und öffentliche Nutzung vorgesehen, wodurch auch die Allgemeinheit bei Überschussstrom von günstigen Preisen profitieren kann.

Unser Fazit: „Energieintelligent“ ist ein passender Begriff, um zu beschreiben, wie die vielen Energieerzeugungsanlagen und die verschiedenen Verbraucher des Klarerhofs gesteuert und versorgt werden. Das System wird zwar so nicht auf jedem Hof anwendbar sein, wie man aus der Komplexität heraus allein schon erkennen kann, es kann aber durchaus als nachhaltiges Leuchtturmprojekt im landwirtschaftlichen Kontext gesehen werden. Somit kann sich jeder der sich für Energieeffizienz, Abwärmenutzung, Nutzung von Umweltwärme, Holzvergasung, Trocknungsanlagen oder die intelligente Vernetzung verschiedener Komponenten interessiert das ein oder andere abschauen und gegebenenfalls angepasst an die eigenen lokalen Gegebenheiten und finanziellen Möglichkeiten umsetzen.