Was ist Paludikultur
Diese Form der Bewirtschaftung unterscheidet sich wesentlich von herkömmlichen Nutzungsstrategien, die auf Entwässerung von Moorböden basieren und die Torfsubstanz erschöpfen. Paludikultur ist die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nasser und wiedervernässter Moorgebiete. Hierbei wird die auf Moorflächen vorkommende Biomasse genutzt, bei gleichzeitigem Torfaufbau bzw. Erhalt des bestehenden Torfkörpers. So werden Treibhausgasemissionen und Stoffausträge vermieden oder zumindest begrenzt.
Paludikultur ist ein weltweit anwendbares Flächennutzungskonzept für nasse Moore. Eine Vielzahl an Pflanzenarten können unter diesen Gegebenheiten wirtschaftlich angebaut werden.
Viele Pflanzen, die bei hohen Wasserständen angebaut werden können, haben eine lange Nutzungsgeschichte, gerieten aber im Laufe der Zeit in Vergessenheit. Darüber hinaus gibt es heute eine Vielzahl neuer Verwertungsmöglichkeiten (z.B. Biogas, Baustoffe, etc.). Eine einheitliche Zusammenfassung und Analyse zu nutzbaren Paludikulturarten und deren Potential bietet die “Database of Potential Paludiculture Plants“. Für etwa 250 Arten ist das Potential besonders attraktiv, da für diese bereits Absatzmärkte bestehen.
Verwertung von Biomasse aus Paludikultur
Paludikultur stellt eine Bewirtschaftungsweise auf Moorflächen dar, die darauf abzielt, Moore wieder zu vernässen bzw. sie weiterhin nass zu halten und dabei die Torfsubstanz zu erhalten. Die Verwendung von Biomasse von Moorgebieten bietet interessante Möglichkeiten. So können einerseits abgelegene Flächen genutzt und dennoch regionale Wertschöpfungsperspektiven geschaffen werden. Abseits der spärlichen Nahrungs- und Futtermittelnutzungsmöglichkeiten von Moorgebieten, gibt es sowohl stoffliche als auch energetische Nutzungsformen. Im Folgenden werden ausgewählte Nutzungsmöglichkeiten vorgestellt.
Die gewonnene Biomasse auf Moorflächen eignet sich potentiell für unterschiedliche stoffliche Anwendungsmöglichkeiten. Gegenüber der energetischen Verwertung lässt sich eine höhere Wertschöpfung durch die stoffliche Nutzung generieren. Eine bereits seit Jahrtausenden bekannte Anwendung ist im Baustoffsektor zu finden. Gemeines Schilf (Phragmites australis) ist ein traditioneller Dach- und Baudämmstoff. Eine vielfältige Verwertungsform bietet auch der Rohrkolben (Typha). Die hochwertigen Fasern aus den Fruchtkörpern lassen sich zu Geweben/Stoffen weiterverarbeiten. Aufgrund der natürlichen Isoliereigenschaft können aus dem Pflanzenmaterial auch Wärmedämmmaterialien gefertigt werden.
Wird die Nachhaltigkeit von Dämmmaterialien auf Basis von Schilf betrachtet, ergibt sich eine sehr gute Ökobilanz und das trotz langer Transportwege. Dies liegt an den oft weit entfernten Anbaugebieten. Die Herstellung von Dämmmaterial ist sehr energieeffizient und zudem ist das Pflanzenmaterial ein guter CO2-Speicher. Weiterhin ist das Schilfrohr komplett wieder- und weiterverwendbar sowie recyclebar. Dies liegt daran, dass sie größtenteils ohne Zusätze auskommen. Aufgrund der Materialeigenschaften ist es feuchteresistent und sehr widerstandsfähig gegenüber Pilzen und Fäulnis. Ebenso ist eine gute Schalldämmung gegeben, aufgrund der hohlen Zwischenräume, die den Schall teilweise blockieren.
Daneben lassen sich auch Energieträger aus der geernteten vorwiegend lignocellulosischen Biomasse (z.B. Schilf) gewinnen. Hier lassen sich zu Beginn die klassischen festen Brennstoffe nennen. Durch geeignete Konversationsverfahren lassen sich diese je nach Art und Anforderung erzeugen. Dadurch ist eine Auf- bzw. Weiterverarbeitung der Biomasse zu Pellets, Briketts und Biokohle möglich. Eine Aufbereitung der Paludikultur ist unabdingbar, da sich durch eine Verdichtung der Biomasse die Transportwürdigkeit erhöht und auch das Handling verbessert wird sowie die Energiedichte bezogen auf das Volumen steigt. Ebenso erhöht sich die chemische Homogenität des Energieträgers, was in einer effizienteren thermischen Nutzung resultiert.
Neben diesen Energieträgern besteht auch die Möglichkeit flüssige und gasförmige Energieträger zu erzeugen. Grundsätzlich eignet sich geerntete Biomasse von Moorflächen auch zum Vergären und zur Erzeugung von Biogas. Jedoch ist derzeit eine ausschließliche Fermentation dieser Pflanzenmasse aufgrund seiner Beschaffenheit (lange Verweilzeiten, geringer Gehalt an leicht verfügbaren Kohlenhydraten) noch nicht möglich. Daher kann es lediglich als Co-Substrat in die Anlagen eingebracht werden. Eine weitere Möglichkeit zur Erzeugung eines gasförmigen Energieträgers stellt die thermo-chemische Vergasung dar. Hierbei wird unter Sauerstoffmangel eine Teilverbrennung durchgeführt, wodurch ein Gasgemisch (CO und H2) erhalten wird. Das gereinigte Gasgemisch kann anschließend Motoren und Brennstoffzellen zur z.B. Stromgewinnung zugeführt werden.
Ebenso lassen sich flüssige Energieträger erzeugen. Durch Vergärung kann aus pflanzlicher Biomasse Ethanol hergestellt werden, welcher bereits jetzt Kraftstoffen beigemengt wird (z.B. E10), um fossile Treibstoffe einzusparen. Aufgrund der lignocellulosischen Basis konkurriert der so erzeugte Ethanol nicht mit der Lebens- bzw. Futtermittelproduktion und weiterhin ist dadurch auch eine bessere CO2-Bilanz gegeben. Eine Alternative, die auch gerade vor Allem im Hinblick auf die Zukunft eine größere Rolle spielen könnte, ist die Erzeugung von synthetischen Biokraftstoffen. So kann das bereits genannte Gasgemisch aus der thermo-chemischen Vergasung über verschiedene Schritte in einen flüssigen Kraftstoff umgewandelt werden.
Weiterführende Informationen finden sich hier:
- Wichtmann, W., Schröder, C., & Joosten, H. (2016). Paludikultur-Bewirtschaftung nasser Moore. (ISBN: 978-3-510-65282-2)
- https://www.moorwissen.de/de/index.php (Greifswald Moor Centrum, Letzter Aufruf: 04.05.2021)
- Abel, S., Couwenberg, J., Dahms, T., & Joosten, H. (2013). The database of potential paludiculture plants (DPPP) and results for western Pomerania. Plant diversity and evolution, 130(3-4), 219-228.
- https://www.schilfdaemmung.de (Letzter Aufruf: 28.09.2021)