Der Mensch versucht seit jeher Naturmaterialien zu bearbeiten und ihnen dadurch neue nützliche Eigenschaften zu verleihen. Auch zu Beginn der Entwicklung der ersten modernen Kunststoffe, Mitte des 19.Jahrhunderts, wurden zunächst Naturprodukte wie Kautschuk, Baumwolle und Leinöl durch chemische Verfahren zu Gummi, Zelluloid und Linoleum verarbeitet. Auch diese ersten halbsynthetischen Kunststoffe basieren auf Naturstoffen und zählen daher zu den Biokunststoffen.
Dabei lag es im Interesse der damaligen Forschung, durch chemische Modifikation aus Naturstoffen möglichst langlebige und beständige Werkstoffe zu entwickeln. Diese ersten biobasierten Kunststoffe wurden durch die Entdeckung von vollsynthetischen Kunststoffen auf Basis von Erdöl als günstige Rohstoffquelle allerdings weitestgehend vom Markt verdrängt.
Biokunststoffe lassen sich aus einer Vielzahl verschiedener Nachwachsender Rohstoffe herstellen. Dazu können bereits in der Natur vorkommende Makromoleküle, wie Cellulose, Stärke oder Lignin genutzt werden. Aber auch kleinere Moleküle wie Zucker oder Fettsäuren, können zu Basischemikalien der Kunststoffproduktion weiterverarbeitet werden. Besonders neuere biotechnologische Herstellungsverfahren erweitern die Möglichkeiten auf die Nutzung von landwirtschaftlichen Rest- und Abfallstoffe sowie organische Abfälle.
Als die Entwicklung moderner Biokunststoffe Anfang der 1990er Jahre begann, zielte sie aufgrund politischer Vorgaben zunächst auf biologisch abbaubare Kunststoffe ab, im deutschsprachigen Raum auch als „Biologisch Abbaubare Werkstoffe“ (BAW) bezeichnet.
Die Idee dahinter: Wachsende Müllberge, zu denen kurzlebige Kunststoffprodukte erheblich beitrugen, sollten durch neue, biologisch abbaubare Alternativen reduziert werden. Denn diese, so der Plan, könnten über Bioabfallverwertung kostengünstig kompostiert werden. Dieser Ansatz konnte sich in der deutschen Abfallpraxis jedoch nicht durchsetzen.
Heute werden kompostierbare Biokunststoffe meist dort eingesetzt, wo die Kompostierbarkeit einen entscheidenden Vorteil für die Anwendung bietet. Beispielweise für Bioabfallbeutel, landwirtschaftliche Mulchfolien oder im Cateringbereich. Dennoch landen weltweit kontinuierlich große Mengen Kunststoffabfälle in der Umwelt und daher gilt es weiterhin, nach Lösungen der damit einhergehenden Probleme zu suchen.
Aktuell haben Klimawandel, schwindende Erdölreserven sowie ein gesteigertes Umweltbewusstsein bei Unternehmen und Verbrauchern wieder zu größerem Interesse an Biokunststoffen geführt. Dabei spielen Nachhaltigkeit und der Ersatz von Erdöl als primäre Rohstoffquelle eine immer stärker werdende Rolle.
Heutzutage können viele der Monomere, die Grundbausteine für die Kunststoffherstellung, durch moderne chemische Verfahren auch aus pflanzlichen Rohstoffen, wie z.B. Stärke, Zucker oder Cellulose gewonnen werden. Biobasiertes Naphtha, eigentlich ein Zwischenprodukt der Erdölraffinerien, kann beispielsweise auch bei der Produktion von Biodiesel anfallen. Diese kann dann als Grundstoff in die Produktion von konventionellen Kunststoffen einfließen und damit teilbiobasierte Kunststoffe (z.B. Bio-PE) mit unterschiedlichen hohen biobasierten Anteilen ermöglichen.
Dies und die Tatsache, dass moderne Kunststoffe häufig aus einer Mischung verschiedener Kunststofftypen bestehen und mit einer Vielzahl von Additiven versetzt werden, führen zu einem zunehmenden Verschwimmen der Grenzen zwischen Biokunststoffen und konventionellen Kunststoffen.
Eine Chance für die Landwirtschaft und mehr Nachhaltigkeit
Die seit Jahrzehnten stark steigende Produktion von Kunststoffen aus fossilen Rohstoffen und die damit einhergehenden CO2-Emmissionen sowie die Verschmutzung der Umwelt mit langlebigem Makro- und Mikroplastik, zeigt uns deutlich die Notwendigkeit einer innovativen Weiterentwicklung und einem veränderten Umgang mit dieses wertvollen Werkstoff auf. Neben Reduktion, Wiederverwendung und Recycling stellt insbesondere die Nutzung Nachwachsender Rohstoffe als Basis für die Produktion von Kunststoffen eine wichtige Chance dar, dem Leitgedanken der Nachhaltigkeit, wie er von Hans Carl von Carlowitz geprägt wurde, zu entsprechen. Wenn man die dauerhafte Bedürfnisbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme (vor allem von Lebewesen und Ökosystemen) in den Vordergrund stellt, können gerade Biokunststoffe mit ihren besonderen Eigenschaften ihre Vorteile und Chancen deutlich machen.
Sie ermöglichen:
- die Produktion von Kunststoffen aus regionalen Nachwachsenden Rohstoffen
- die Reduktion der Abhängigkeit von endlichen fossilen Ressourcen und den einhergehenden Emissionen von klimaschädlichem CO2
- durch biologische Abbaubarkeit:
- eine Reduktion der Umweltrisiken bei unvermeidlichen Kunststoffemissionen
- zusätzliche Entsorgungsoptionen für nicht recycelbare Kunststoffprodukte
- spezieller Zusatznutzen: reduzierter Arbeitsaufwand (z.B. biologisch abbaubare Mulchfolien in der Landwirtschaft), gesteigerte Sammelmengen von organischen Bioabfällen durch biologisch abbaubare Bioabfallbeutel oder nachhaltiger Ersatz von Mikroplastik in Kosmetik